DAS FEST
(u. a. mit Sportfreunde Stiller, Irie Révoltés, Willy DeVille, Jonah Matranga)

18.-20.07.08 Karlsruhe, Günter-Klotz-Anlage
 

 

Mal wieder nach Karlsruh´ fahrn, mal wieder das Fest anschaun. Mal wieder das Programm bemängeln, mal wieder wegen dem Bierpreis quengeln…

Zugegeben, die diesjährige Preiserhöhung war prächtig, im Gegensatz zum preisgegebenen Musikprogramm. Drei Euro für einen Drittel Liter Bier, das ist fett, meine Damunherrn, sehr fett!! Aber okay, da ist ja quasi der Eintritt mit drin, also sinnwer ma nich so kleinlich, nich?
Dafür versenkten gleich am ersten Abend die Sportfreunde Stiller das Niveau der Veranstaltung noch unterhalb der Schamgrenze, indem sie einen mit Peinlichkeiten als Höhepunkten gespickten Gig spielten, wie ich es noch selten erleben musste. Ansagen wie „Der Paul is geil, aber der Rüdiger is noch geiler, und der frag-mich-nicht-wer ist der allergeilste überhaupt.“ Meine Fresse. Die sind doch nun auch keine 12 mehr, oder sollte das gar höchst subtiler Humor sein, den ich einfach nicht verstanden hab? Und dann noch das Medley, eingebaut in „Ich, Roque“, bestehend aus Fanta Viers „Populär“, dem Anfangsriff von „The Eye Of The Tiger“ und Van Halens „Jump“, dazu durchweg eingesämpelt die Twisted-Sister-Textzeile „I Wanna Rock“, mein Gott, wie schrecklich. Fast ham sie mir schon leid getan, sich als so dermaßen einfallslos und banal präsentierend, mit ihren grünen Gitarren inmitten der natürlich passend in grün und schwarz gehaltenen Bühnendeko. Und dann bei allen Liedern das Keyboard, das praktisch nie einer gespielt hat, aber im eher mäßigen Sound noch am besten klang. Sorry, Leute, aber das war richtig schlecht. Nicht mal ein eigentlich so schönes Lied wie „Wellenreiten“ kam richtig gut rüber. Einziges Plus: sie verzichteten auf ihren nervtötenden WM-Song.


Nun gut, dem Publikum wars wohl überwiegend egal, so, wie mir die Revolverhelden, die zuvor gespielt hatten, egal waren. Von denen hab ich zwar nur ungefähr die letzten drei Lieder mitbekommen, darunter ihr aktueller Hit, den ich nicht mal gekannt habe (ja ja, irgendwo muss sich doch mal jahrelange Verweigerung sämtlicher öffentlich-rechtlicher sowie privater Schundmusik-Radiosender bezahlt machen). Mehr als diese drei gehörten Stücke hätten mich wohl eh ziemlich gelangweilt, von dieser Warte aus betrachtet ist verpassen manchmal gar nicht das Schlechteste. Bemerkenswert bei dieser Bänd fand ich noch, dass ein paar etwa achtjährige Knirpse in der Zuhörerschaft ziemlich textsicher schienen. Na ja, Schwamm drüber.


Am Samstag hielten wir uns der Hauptbühne dann gleich ganz fern, denn auf Fettes Brot hatte keiner von uns so recht Lust. Stattdessen feierten wir lieber einen munteren Herrenabend bei der Zeltbühne, wo bei unserer wegen eines ordentlichen Regenschauers etwas später als ursprünglich geplanten Ankunft eine Metal-Bänd namens Neaera, angereist aus Münster, aufspielte. Was soll ich dazu sagen? Schneller, harter Knüppel-Metal halt. Mit einigem Abstand ganz gut als Hintergrund-Sound zu hören und mir alle Mal angenehmer als das Hamburger HipHop-Mainstream-Pop-Ding. Übrigens fand ich es sehr auffallend, dass das Zeltbühnenpublikum im Durchschnitt wesentlich jünger war, als das vor der Hauptbühne (von ein paar Revolverhelden-Fäns mal abgesehen), womit wir uns hier gleich zu den alten Säcken zählen durften. Was uns allerdings nicht daran hindern konnte, etwas generationenübergreifende Konversation mit ein paar gut gelaunten Sechzehnjährigen zu betreiben. Ja, auch so was kann funktionieren!!

Die nächste Bänd stellte dann die für mich erste positive Überraschung der Veranstaltung dar: Irie Révoltés aus Heidelberg spielten einen erfrischenden Mix aus Reggae, Dancehall und Hip Hop, mit deutschem wie französischem Gesang, und konnten mich sogar eine gute Weile von meiner Männerrunde loseisen, um das Ganze aus der Nähe zu beobachten. So kam man dann auch in der vorderen Hälfte des Zelts, wohin es mich mehr oder weniger versehentlich getrieben hatte, nicht drum herum, irgendwie mitzuhüpfen oder sich sonst wie zu bewegen. Und ich muss sagen, ich habs gern gemacht. Danach brauchte unser Quartett dann leider recht lange, die müden Gebeine zum Mitternachts-Special an die Hauptbühne zu transportieren, so dass wir, als wir nach kurzen Irrungen unterwegs, an welchen ich vermutlich aktiv beteiligt war, dort angekommen waren, grade noch den Abbau bestaunen konnten. Zum Glück gabs aber noch Pizza, so war der beschwerliche Weg doch nicht ganz umsonst gewesen.


Am Sonntag schaffte ich dann, was ich bei dieser altehrwürdigen Veranstaltung schon lange nicht mehr geschafft hatte: ein nachmittägliches Gipfel-Bier auf dem „Mount Klotz“. Was war das lecker!! Dazu gabs Sonnenschein und entspannte Musik von Roy Paci & Aretuska, die eine Mixtur aus Ska, Reggae, Latin und Jazz-Trompeten-Klängen vereinten. Das Manko daran war lediglich, dass alles irgendwie gleich klang, auch keine merklichen Tempowechsel vorhanden waren. Doch störte uns das nicht besonders, es war einfach zu gemütlich, so auf dem Hügel zu sitzen und ein wenig akustische Berieselung über sich ergehen zu lassen.

Danach gings für unser zu diesem Zeitpunkt noch als Duo fungierendes Konzertbesuchsteam weiter zur Theaterbühne, auf der eine Fest-Revue dargeboten wurde. Den Beginn machte das GlasBlasSing Quintett aus Berlin, die, wie der Name erahnen lässt, auf Glasflaschen Sound machten, mit Plastikflaschen Perkussion spielten – wenn es sein musste, auch auf den (behelmten) Köpfen, Schenkeln oder Hinterteilen einzelner Bändmitglieder. Dazu gabs natürlich auch Gesang. Die Stücke waren eigenwillig interpretierte Coverversionen und eigene Sachen, so dass die halbe Stunde wie im Flug verging, bis Herr Niels aus Hannover die Bühne betrat, um seine Show zu bestreiten. Herr Niels ist ein sogenannter Visual Comedy Artist. Hä?? Ja, genau, das hab ich auch gedacht. Ursprünglich wurde das, was er gemacht hat, Pantomime genannt. Und so ungefähr würde ich es hier jetzt auch mal beschreiben. Wobei man es eigentlich gesehen haben sollte, um eine genaue Vorstellung davon zu haben. Jedenfalls machte er seine Sache ziemlich gut, hatte dazu auch noch fetzige Elektromusik zur akustischen Untermalung dabei und wir waren – mittlerweile wieder zum Trio gewachsen – recht angetan von dieser unterhaltsamen Einlage, die ebenfalls etwa eine halbe Stunde dauerte.

Danach kam Sascha Bendiks auf die Bühne, der mit dem Klavierspieler Simon Höneß alte Hardrock-Klassiker mit Klavier und der guten alten Quetschkommode sehr chansonverdächtig interpretierte. Leider zog sich das Ganze etwas langatmig dahin, und irgendwie passte es nicht ganz so zum zuvor Dargebotenen, was uns dazu bewog, alsbald die Lokalität zu wechseln und mal wieder rüber ins Zelt zu schauen.
Dort kriegten wir noch das letzte Stück einer aus Karlsruhe stammenden, russisch singenden Bänd mit. Hm, vielleicht hätten wir da etwas früher hin sollen? Egal, es war weder die Zeit noch der Ort, mit dem Schicksal zu hadern oder Schuldige an den Pranger zu stellen. Anstatt lange zu lamentieren beschlossen wir also lieber, einen kleinen Snäck zu uns zu nehmen und uns wieder an die große Hauptbühne zu begeben, wo in Bälde Willy DeVille mit seiner Bänd aufspielen sollte.

Der bereits etwas ältere Mann stellte für mich eine sehr angenehme Abwechslung zum ansonsten leider allzu häufig auf diesem Open-Air praktizierten Anbiederungsverhalten der aufspielenden Äcts dar. Ihm wars egal. Er spielte routiniert, aber nicht lustlos wirkend, sein abwechslungsreiches Set, welches sehr blueslastig daher kam, aber auch Elemente von Country, Folk und natürlich eine deftige Prise des guten, alten Rock besaß. Nach letzterem klang unüberhörbar die tiefe, raue Stimme des Altmeisters. Seine Bänd ähnelte einem Dylan-Begleitensemble, mit E-Gitarre, Bass, Percussion, Schlagzeug und Keyboards, während der Chef zwischen der akustischen und elektrischen Gitarre, mal auf einem Barhocker sitzend und mal auf beiden Beinen stehend, hin und her pendelte. Mr. DeVille schien zudem – ganz standesgemäß – bereits etwas angetrunken und gab gekonnt die Diva, was nicht allen in unserem schönen, kleinen Trio zu gefallen wusste. Ich jedoch hatte damit meinen Spaß, und das nicht zuletzt deshalb, dass hier auch mal einer ein wenig aus der Rolle zu fallen wusste, und sah mir die Sache vergnügt noch bis zum Ende aus der Nähe an.

Nach diesem meinungsspaltenden Auftritt waren dann wieder Entscheidungsfindungen an der Tagesordnung. Welches sollte unser Abschlusskonzert des Fest 2008 sein? Hier, auf der Hauptbühne eine gewisse Roisin Murphy, ihres Zeichens ehemalige Moloko-Frontfrau? Oder im Zelt Jonah Matranga, ein amerikanischer Songwriter, der nach verschiedenen Bändprojekten nun solo unterwegs ist und als einer der Wegbereiter des so genannten Emo-Genres gilt?
Beide Auftritte begannen zur selben Zeit. Wir studierten kurz das Programm und beschlossen, zunächst am momentanen Aufenthaltsort zu bleiben und zu sehen (und natürlich hören), was Roisin Murphy so zu bieten hat. Nach vielleicht drei sehr, sehr discopoppigen und dancefloorlastigen Songs waren wir uns allerdings einig, dass das insgesamt nicht so unsere Tasse Tee ist, auch wenn die Dame auf der Bühne recht hübsch anzuschauen war mit ihrer futuristischen Sonnenbrille und den engen Klamotten, und wir zogen ein letztes Mal um zur Zeltbühne.

Dort hatte Jonah Matranga das Publikum bereits fest im Griff mit seinem stimmungsschwangeren Singer/Songwriter-Pop, den er mit akustischer Gitarre, ausgesprochen schönem Gesang und gelegentlich unterstützt durch Sounds vom Band bzw. einem Cellisten. Viel zu sagen hatte er zwischen seinen Liedern, über so ungefähr alle wichtigen Themen von Politik bis Liebe, nicht selten hörte ich das Wort „süß“ durch die Reihen des sehr angetanen Publikums raunen. Für mich stellte dieser Auftritt DIE positive Überraschung beim diesjährigen Fest dar. Wobei ich es etwas ärgerlich fand, dass Herr Matranga ausgerechnet, als ich grade mal die Toiletten aufzusuchen genötigt war, eine sich zumindest aus der Entfernung hervorragend anhörende Version von Deftones´ „Digital Bath“ zum Besten gab. Mist aber auch, wenn das Timing unerlässlicher Bedürfnisse nicht kompatibel mit der Setliste des Künstlers einhergeht.
Anyway, nach dem Ende dieses intensiven Auftritts beschlossen wir bester Laune das dreitägige, teils schwer Kräfte zehrende, aber insgesamt sehr schöne Ereignis mit einem allerletzten Bier auf dem geschundenen Rasen vor dem Zelt, manche von uns um eine mit geliehenem Geld erstandene, handsignierte Vinyl-Scheibe bereichert, bis die Zeit reif für den Heimweg wurde.

Fazit:
Es hat dem Ereignis nicht geschadet, dieses Mal keine ganz so großen Äcts (wie z. B. letztes Jahr die Fantastischen Vier) an Land zu ziehen. Ebenso wenig hat es unserem Fest-Team geschadet, des Öfteren der Hauptbühne die kühlere Schulter zu weisen. Auch die Preise sind noch immer für das im Gesamten gebotene akzeptabel, insbesondere, wenn man mit einbezieht, dass diese bei zu bezahlenden Veranstaltungen auch nicht sonderlich abweichen. So durfte einmal mehr ein sehr entspanntes Großereignis erlebt werden, welches ich getrost als meinen All-Time-Fave unter den Open-Air-Veranstaltungen zählen darf und das in diesem Jahr trotz eines musikalisch enttäuschenden ersten Abends wieder deutlich Lust auf mehr machen konnte.

 

 

 

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