Mark Lanegan   22.11.19 Schorndorf, Club Manufaktur

 

Sehr gespannt war ich beim freitäglichen Ausflug in den Wohlfühlclub Manufaktur in Schorndorf auf die Live-Präsentation des aktuellen Albums 'Somebodys Knocking' von Mark Lanegan. Bislang hatte ich erst ein Mal die Möglichkeit, diesen von mir seit dem Album 'Bubblegum' (2004) sehr geschätzten Künstler mit der düster kratzenden, manchmal regelrecht dröhnenden Stimme, im Timbre irgendwo zwischen Tom Waits und Nick Cave verortet, live zu besuchen. Das war vor fast exakt sieben Jahren, auf der Tour mit dem damaligen Werk 'Blues Funeral' (2012), mit welchem er anfing, seine Musik zunehmend am Notebook zu komponieren und seine Songs statt anhand gängiger Instrumente lieber mit Elektronik zu unterlegen...

Der Auftritt der supportenden Bänd The Membranes eignete sich ganz gut, um nochmal ein bisschen vor der Hütte zu rauchen, ehe um Punkt neun die Musiker der Mark Lanegan Band die Bühne betraten; als Letzter selbstverständlich der Meister am Mikro. Kaum hatte er dieses erreicht, schlug der Gitarrist einen Akkord an und Lanegans Organ dröhnte "I have stars on my Knuckles...". Ein sehr geiler Beginn, das!! Nach einer Strophe und vielleicht einer halben Minute zählte der Gitarrist "one two three four!" ein, und Schlagzeug, Bass sowie die zweite Gitarre setzten ein – der abendliche Reigen zwischen erdig dunklem Rock und düster-post-punkiger Elektronik war mit dem rockenden "Disbelief Suspension", dem Eröffnungsstück des aktuellen Albums und dessen herrlich rauen Refrain - "You wanna ride, you wanna take a Ride"- eröffnet. Dem Ritt folgte, wie auf Platte, das ziemlich hitverdächtige "Letter Never Sent". Nach ein paar Songs ohne jeden Kommentar oder Kontaktaufnahme bedankte sich Lanegan erstmalig bei den Anwesenden, etwa dreihundertfünfzig Leuten, indem er "Thank you very much, people, we appreciate that!" in den Saal brummte.

Das Set enthielt fast zur Hälfte Songs des neuen Albums, dazu eine knappe Handvoll der letzten beiden und war zudem gewürzt mit Stücken von 'Blues Funeral' sowie zwei Songs von 'Bubblegum'. Von Letzterem freute nicht nur ich mich sehr über das immer noch zum dicken Highlight taugende "Hit the City", bei welchem Jeff Fielder, der Gitarrist zur rechten Lanegans, mit seinem hohen Bäckgroundgesang stimmlich sehr nah an P. J. Harvey rankam und erstmals mehr als bloßer Sidekick des unangefochtenen Chefs auf der Bühne war.
Von den weiteren Musikern der Bänd stach, obwohl durchweg echte Könner, sonst nur noch hin und wieder Drummer Christophe Claeys heraus, der gekonnt mit nicht eben wenigen elektronischen Päds am Drumset spielte und mit insgesamt recht unkonventionellem Spiel überzeugen konnte. Fielder hatte jedoch die meisten Freiheiten. Ihm oblag etwa noch das Intro zu "Bleeding Muddy Water", welches ein Fän kurz nach dessen Erklingen mit einem begeisterten "The Voice is Back!" quittierte. In der Tat, dieser Song war ein echtes Highlight in seiner wunderbar tiefgehenden, recht blueslastigen Präsentation, bei welcher die außergewöhnliche Stimme dieses Sängers einfach unglaublich gut zum Tragen kam. Ähnlich viel Tiefe gab's ansonsten fast nur noch bei "One Hundred Days", dem zweiten Oldie im Set. Hier durfte Fielder ein weiteres Mal, nun mit einem ziemlich geilen Solo gegen Ende des Songs – während der Chef einen Schluck Redbull zu sich nahm –, etwas von der Publikums-Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die lag ansonsten recht exklusiv beim Sänger, der es im Übrigen gar nicht mag, im Dunkel der Bühne von Händys angeleuchtet zu werden und sich dort lieber seiner minimalistisch introvertierten Performance hingibt.

Zwar war es zeitweise nicht ganz einfach, sich auf die vielen, sicherlich bewusst gesetzten, Brüche im Set einzulassen. So wirkte das Twilight Singers-Stück nach den blutend schlammigen Gewässern ziemlich blass, während die hierauf folgende, ebenfalls sehr ansprechend präsentierte "Ode to Sad Disco" – von 'Blues Funeral' – bereits wieder ins Der-Name-ist-Programm-Beat-Gewand wechselte. Doch bereitete dieses Stil-Hopping durch diverse Alben auch richtig Spaß. Zumal die elektronischen Beats der jüngeren Alben mal mehr und mal weniger mittels gekonnt analoger Umsetzung per Bass und Drums ersetzt wurden, womit insbesondere Bassist Frederic Lyenn Jacques, quasi ungesehen, aber wohlgehört, glänzen konnte. So war es eine weise Entscheidung der Techniker, dem Herrn am Viersaiter nach geraumer Zeit mehr Saft zuzugestehen. Das tat dem ohnehin guten Sound zusätzlich gut. Nur bei einem Stück, ich meine, es war gegen Ende des Sets bei "Dark Disco Jag" vom aktuellen Album, war der Basser gänzlich ohne sein Instrument und stattdessen mit Knöpfen zugange, während sich der Rhythmusgitarrist im Laufe des Abends öfter mal an die Synthies setzte und für digitale Rhythmen sorgte.

So war unterm Strich ein ziemlich gutes Konzert des ebenso eigenwilligen wie umtriebigen Künstlers und seiner Bänd zu bestaunen, das einerseits fast unspektakulär, von einigen Dankeschöns und zweimaliger Bändvorstellung seitens Herrn Lanegan, Stück für Stück ohne wesentliche Unterbrechungen gespielt wurde, das jedoch mit so manchem Highlight aufwarten konnte, ehe sich der Meister nach insgesamt anderthalb intensiven Stunden verabschiedete und mit einer entsprechenden kurzen, aber entschiedenen Handbewegung die Bühne verließ. Die Bänd rockte noch ein paar Takte weiter und ging dann, Einer nach dem Anderen. Fielder waren die letzten Worte ans Publikum gegönnt, bevor auch er ging und wir zufrieden den Abend in die Nacht hinein ausklingen ließen. Dieser Auftritt wirkt nun auch im Nachgang der Erinnerung noch schön nach...

 

Und zur Vervollständigung noch die Abschrift der ergatterten, originalen Setliste:
Knuckles / Disbelief / Letter Never Sent / Nocturne / Hit The City / Stitch It Up / Burning Jacobs Ladder / Night Flight / Beehive / Bleeding MW / Deepest Shade / Sad Disco / Gazing from the shore / Penthouse / 100 Days / Dark Disco J / Name and Number / Death Trip // Harbourview Hospital (nicht gespielt!!) / Playing Nero / Killing Season

25.11.19

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