Musikalischer Jahresrückblick 2009
 

 

Menschenskinder, kaum haste den Neujahrskater einigermaßen zahm, musste dir schon wieder Gedanken über das nächste Fest zum Jahreswechsel machen. So schnell geht das, und jedes Jahr scheints schneller zu gehn. Doch sollte man wohl grade deshalb nicht allzu zögerlich zimpern, sondern sich im "zwischen den Jahren" genannten Zeitraum lieber direkt übers Wesentliche her machen: die alljährliche Jahresretrospektive. Die nunmehr letzte in diesem Jahrzehnt, nebenbei eingefügt. Hier wie üblich ohne tabellarische Auflistungen - is ja nich der olympische Medallienspiegel - und ähnliche Mätzchen in loser Reihenfolge nach Auftauchen der Neuerscheinungen in meinem musikalischen Mikrokosmos. Lediglich möchte ich nicht unterlassen, bereits darauf hinzuwinken, dass momentan auch ein Dekadenrückblick für meine lieben Corneristen in der Mache ist...

Zunächst nun aber zum soeben Geschichte gewordenen Jährchen. Bei mir begann dies wie gewohnt verhalten - mit quasi Altfreuden aus dem Vorjahr - bevor die Neuzugänge Einzug in meine Regale hielten. Die beiden Debütanten kamen als schöne Winterplatten daher: Wintersleep mit poppigem Post-Rock auf "Welcome To The Night Sky" und James Yuill, auf dessen "Turning Down Water For Air" klassisches Songwritertum mit moderner Laptop-Technik koaguliert. Beides feine Scheibchen, die mir so manch kalte Stunde erwärmen konnten, bis die ersten nachhaltig wirkenden Veröffentlichungen eintrudelten. Recht pünktlich zu Frühlingsbeginn etwa, gabs einen Überblick über die bisherigen Soloalben von Mike Doughty. Das Werk nennt sich schlicht "Introduction" und ist eine erste Veröffentlichung des ehemaligen Soul Coughing-Frontmanns außerhalb den U.S.A. Höchst empfehlenswert für Liebhaber eigenwilliger Songwriter-Kunst, wie ich meine!! Just zur gleichen Zeit hatte auch das Fiebern auf "The Hazards Of Love" ein Ende. Ein in wahrstem Sinne fabelhaftes Konzeptalbum auf 2 LPs entließen die Decemberists ihrem immer wieder mit Überraschungen durchsetzten und herrlich angeschrägten Kreativ-Fundus. Dementsprechend entfaltet sich die Klasse dieses Albums weniger in einzelnen Songs, sondern vor allem in seiner Gesamtheit. So reckte diese Platte bereits nach wenigen Durchläufen auf meinem Vinyl-Abspielgerät selbstbewusst den Finger gen Himmel, um heißeste Anwärterschaft auf den begehrten Platte-des-Jahres-Titel zu signalisieren.

Dieses frühe Frühjahrs-Highlight machte es danach auf der Hörfläche erklingenden Erscheinungen natürlich schwer. Trotzdem konnte ich mich an der schön zeitlosen Debüt-CD "Good Morning, Mr. Average" von den Berlinern Strip Me Naked erfreuen, genau wie dem sehr entspannten Rock auf "Low Blow" des Duos Schwervon!, wogegen U2s "No Line On The Horizon" eher ein Gewohnheitskauf war und sich Conor Oberst mit seiner Mystic Valley Band und dem Album "Outer South" für meinen Geschmack mittlerweile in die Ecke der routiniert wirkenden Country-Folk-Barden begeben hat. Umso angenehmer überraschte mich das ungefähr 46te Studio-Album eines gewissen Bob Dylan. Von kauzigem Charme und rauher Sensibilität durchwoben dünkt mich dessen "Together Through Life", zumal erneut Songwriting mitsamt abwechslungsreicher Instrumentierung erfreuen konnten. Wer hätte gedacht, dass so (relativ) kurz nach dem 2006er Super-Album schon wieder eine so schöne Platte vom alten Meister kommt?

Zum abschließenden Highlight eines England-Aufenthalts fiel mir nach einem Konzertbesuch der Broken Family Band deren "Please & Thank You" als quasi Souvenir in die Hände. Genau das Richtige, um mit augenzwinkernden Ohrwürmern die wärmere Jahreszeit langsam aber sicher willkommen zu heißen. Ansonsten war der frühsommerliche Soundträck stark geprägt durch neue Alben von den Eels, Sonic Youth und Dinosaur Jr. Zunächst umsponnen Eels mit "Hombre Lobo" die Öhrchen mit sehnsüchtiger Melancholie, Sonic Youth nahmen mit "The Eternal" anhand neuer Songs eine Werkschau ihres eigenen Schaffens auf, während Dinosaur Jr. den im positivsten Sinne altmodischen Gitarrensoli auf "Farm" viele freie Läufe ließen und mit dem Song "Plans" einen meiner hartnäckigsten Sommer-Ohrwürmer bereit hielten.

Doch dann kamen Wilco und erklammerten sich mit ihrem selbstbetitelten Album eine ganze Zeit lang meine auditive Aufmerksamkeit. Und dies nicht nur wegen der ganzen Reihe vorhanderer Hits, sondern in erster Linie aufgrund eines ganz einfach rundum gelungenen Albums. Sehr schön, das Ding, wirklich ausgezeichnet!!
Ein weiterer Kracher ließ nicht lange auf sich warten, erblinzelte im Hochsommer das Kind der Zukunft meine Musikwelt, geboren zum 20ten Bändjubiläum von Motorpsycho. Nur auf Vinyl - und dieses ganz in Weiß(!!) - kam "Child Of The Future" nicht nur angemessen schick des Wegs, auch musikalisch bekommt man einen Leckerbissen nach dem anderen um die Ohren. Fast schon kann man den Schweiß abgrundtiefst ehrlicher Gitarrenmusik durch die Boxen kriechen riechen; zudem klingen sie beinahe so unbekümmert, wie das sonst fast ausschließlich auf Debüt-Alben auszumachen ist. Gänzlich einem Jubiläum entsprechend, orientiert sich das Trio überwiegend an seinem eigenen Gesamtwerk und schuf damit wieder mal ein großes Opus, welches zudem nach Monaten noch immer mit jedem Durchlauf weiter zu wachsen scheint - wie ich hier liebend gerne vermelde!!

Auch Mark Lanegan ließ sich nicht lumpen, war dieses Jahr mit den Soulsavers und dem Album "Broken" am Start. Etwas ruhiger ging es hier insgesamt zu, doch eben mit dieser außerordentlich prägnanten Stimme, die mir über die letzten Jahre wirklich sehr ans Herz gewachsen ist, und nicht zuletzt einigen famosen Songs im Gepäck.
So lief der Sommer bestens gerüstet in einen ausgesprochen warmen Herbst hinüber, wo mit dem kanadischen Duo Japandroids ein bislang völlig unbekanntes Gesicht auf meiner musikalischen Bildfläche aufkreuzte. Diese katapultierten ihren Erstling "Post-Nothing" in meinen Player und wollten da gar nicht so gerne wieder raus. Kurz darauf meldete sich Jim O'Rourke mit "The Visitor", doch werd ich dafür wohl noch ein wenig Zeit brauchen. Sie sei ihm gegönnt...

Na, und irgendwie überschlugen sich die Ereignisse im Herbst ein bisschen. Fast, als müsse man vor Einbruch der ganz kalten Jahreszeit einen Vorrat guter Musik hamstern, überfielen mich die Drones erst jetzt mit "Havilah", einem echten Klasse-Album, welches sich wohl bereits seit dem Vorjahr auf dem Markt herumtrieb, doch brauchte die Vinyl-Version etwas länger zur Veröffentlichung. Jedenfalls fühle ich mich enorm genötigt, mich da noch etwas durch die Discografie zu kaufen, so angefixt hat mich deren whiskeygetränkter, mit schönen Melodien durchzogener und dabei stets melancholiegetragener Songwriter-Blues-Rock. Ziemlich moderner Pop erklingt dagegen auf "Kings & Queens", dem Zweitling des jungen Londoners Jamie.T, welcher hier wiederholt einen rotzfrechen Stilmix zelebriert und dabei haufenweise hartnäckige Ohrwurm-Melodien aus dem Ärmel schüttelt. Ein astreines Gute-Laune-Scheibchen, dies.
Etwas klassischer, ohne dabei jedoch konservativ zu klingen, lässt es Langhorne Slim auf "Be Set Free" angehen, doch fehlen freilich auch hier die Hits nicht. Die kanadischen Post-Rocker Do Make Say Think wiederum übernahmen den Part der entspannenden Trommelfellmasseure, schafften dies ausgezeichnet mit "Other Truths", wo sich vier schön ausufernde Instrumentalsstücke durch die Gitarrensphären schlängeln.
Sehr angenehm auch die Überraschung durch ein weiteres, nun ganz neues Album vom seit ein paar Monaten neuen alten Bekannten Mike Doughty. Dessen "Sad Man Happy Man" erschien denn gleich als Doppel-CD mit einer vor einigen Jahren aufgenommenen Live-Darbietung auf dem zweiten Silberling. Den Reigen der Nullneuner Neuveröffentlichungen schön abrundend, schlenderte zum Schluss noch "When Her Eyes Turn Blue" von Kristofer Aström des Wegs, ein - übrigens in hübsches 10"-Vinyl formatiertes - feines Häppchen zum final chill.

Nicht wirklich leicht fällt einem da die Kür der besten Platte 2009, als umso praktischer erweist es sich, dass sowohl Trophäe als deren Überreichung imaginär wie immer ausfallen!! Somit seien nun folgende 3 Alben gekürt: The Decemberists mit "The Hazards Of Love", Motorpsychos "Child Of The Future" und Jamie.T's "Kings & Queens". Congratulations und Tusch: Tättärättättääääääääää!!

Daneben möchte ich nachfolgend wenigstens ein paar der Ohrwurmsongs des Jahres vermelden, wobei ich nur welche, die wirklich hartnäckigst in den Hörmuscheln zu kleben pflegten (und dies z. T. noch immer tun) ausplaudern möchte. Hier gibts sogar einen eindeutigen Sieger und der Tusch (s.o.) geht allein an "The Wanting Comes In Waves" von den Decemberists!!
Weitere mit extremer Ausdauer wirksame Trommelfellkleber waren Mike Doughty's "Grey Ghost", "The Moment I Was Lost" von Strip Me Naked, Dinosaur Jr.'s bereits oben erwähnter Song "Plans", Wilco mit "I'll Fight", "Nail It Down" von den Drones und "Hocus Pocus" von Jamie.T.

Auch sollten die am meisten herausragenden Live-Darbietungen, obschon an anderer Stelle bereits ausführlich beschrieben, abschließend noch einmal Erwähnung finden:
Hier stolziert Bob Dylan allen anderen voran, sein Auftritt im April in Straßburg war mein unangefochtenes Konzert-Highlight. Sehr schön fand ich im Mai den Besuch des Londoner Clubs Scala mit der Broken Family Band, derweil mir dort auch Dan Michaelson & The Coastguards ausgezeichnet gefallen konnten. Außerdem sehr geile Vorstellungen gaben Franz Ferdinand und Röyksopp auf dem Berner Gurtenfestival im Juli - dies überhaupt ein sehr schönes Festival unter freiem Himmel -, sowie der lang ersehnte und im November endlich geschaffte Guz & Die Averells-Gig in Freiburg.

Hiermit wäre ich nun mal wieder am Ende meiner musikalischen Reise durch das abgelaufene Jahr angelangt. Final möchte ich noch meiner treuen Leserschaft ein herzliches THÄNK YOU entgegen schleudern, meinen beiden Gastautoren Martin und Micha (in alphabetical order) mit einem virtuell-warmen Händedruck danken und alle besten Wünsche für 2010 äußern!!

Bis dahin verabschiede ich mit einem höflichen Knicks.
Rockt weiter!!
Yours sincerely
Pändy

 

nach oben


 

News /Termine
Heißer Scheiß

Pändys neueste Empfehlungen NEWS 20. April 2024
mehr

* * *