Musikalischer Jahresrückblick 2019

 

Ein Hoch auf die Notiz!! Notizen sind großartig!! Sie helfen, sich zu erinnern, speichern im besten Fall bereits beim Notieren das Notierte im Gedächtnis und helfen im zweitbesten Falle den Erinnerungen auf die Sprünge!! Jawohl!! Und was das altbekannte Phänomen der Vergesslichkeit und Maßnahmen zur Vergesslichkeits-vorbeugung, respektive die Überwindung der Vergesslichkeit, mittels – yes! Notizen! – nun hier als Text-Intro macht? Ganz einfach: Ich hab dieses Jahr, also das, welches sich grad langsam ausschleicht, KEINE Notizen über eingetroffene Neuzugänge gemacht, wie ich das sonst immer tat, weil es schlicht die Übersicht am Jahresende vereinfacht. Alles klar? Gut. Nix klar? Auch gut!! Dann kann ich jetzt mal loslegen mit dem zwanzichneunzehner Blick zurück aufs Konzert- und Plattenglück. Selbstverständlich hab ich kaum Bemühungen gescheut, auch notizlos die bestmögliche Rekonstruktion der Retrospektion vorzunehmen – und sogar kürzlich die Sammlung neu sortiert...

Meine ersten Wochen des Jahres waren musikalisch sehr geprägt davon, zwei Vorab-Releases bereits im Dezember des unmittelbar vorher verschwundenen Jahres genießen zu dürfen: Album V von Spidergawd, offiziell im Januar erschienen sowie das Mitte Februar in den Läden erhältliche Album von Motorpsycho namens The Crucible. Die rotierten denn auch ganz schön häufig in und auf meinen Playern; von letzterem besitze ich nicht weniger als drei Versionen: Die CD, ein schwarzes sowie ein silbernes Vinyl!! Ja, ich weiß, ich höre schon die Nööööööörd-Rufe... Dabei dürfte der Titelsong "The Crucible" zu den besten Songs überhaupt (sogar von dieser Bänd!!) und ever gehören. So hatten es andere Zugänge selbstredend nicht leicht, gehört zu werden. Zumal es von Spidergawd als Zugabe eine neuerliche CD-Box mit den Alben IV und V, sowie Singles, B-Sides und Outtakes als Komplettierung des Triples gab. Sehr geil!! Zwischendurch stieß ich im Februar über Umwege noch auf Conny Ochs, der alsdann mit seinem hörenswerten Album Doom Folk gern auf meinem Plattenteller gastierte. Eine angenehme Abwechslung zu Altbekanntem und Altgeschätztem. Da hatte ich ausreichend Beschäftigung, bis Black Lung im März mit ihrem Drittling Ancients um die Ecke kamen. Ein richtig schwergewichtiges Hammeralbum!! Damit belegten die U.S.-Amerikaner erstmal 'ne Weile den Plattenteller. Nicht lange nach dieser Albumveröffentlichung hatte ich auch endlich das Glück, einen Live-Auftritt der Bänd in der Karlsruher Hackerei begutachten zu dürfen, der mir noch immer ausgesprochen gut im melancholischen Heavy-Psych-Rock-Gedächtnis weilt!!

Zwischenzeitlich trudelte auf einen Tipp hin noch ein Longplayer einer britischen Elektrobänd um Ex-Portishead Geoff Barrow namens Beak ein. Die ging mir allerdings, trotz Gefallens, etwas im erwähnten norwegischen Reigen unter. Auch als die Sonne bereits wieder stärker strahlte, kam Feines aus den Plattenpressen: Ein bejahrter Re-Release von Morphine mit dem schönen Titel Cure for Pain sei zu nennen. Und der macht seinem Namen tatsächlich Ehre. Außerdem entließen The Felice Brothers mit Undress ein schönes Album in die Musikwelt, das unter vielen tendenziell düsteren Werken, die mich erreichten, angenehm sonnig heraussticht. Aus dem Nichts schlug dann meine diesjährige Sommerplatte auf: Quiet Temple. Das selbstbetitelte Album dieses britischen Musiker-kollektivs legte mir mein geschmackskompetenter Vinylhändler ans Herz – und er sollte verdammt richtig liegen!! Schöne, entspannte, angejäzzte Instrumentalstücke, zu denen sich die Hitze genießen ließ und die auch im Winter die Tage versüßen. An der Gitarre verdingt sich hier übrigens kein Geringerer als Duke Garwood, geläufig durch Kollaborationen mit einem gewissen Herrn Lanegan, von welchem später noch zu lesen ist. Einen Kontrast dazu bildeten Efrim Manuel Menuck & Kevin Doria. Die beiden klingen auf ihrer LP Are Sing Sinck, Sing – was auch immer das bedeuten möge – ein wenig nach einer freak-folkloristischen Ausgabe von Godspeed You! Black Emperor, jener Post-Rock-Bänd, mit welcher Menuck sich bei mir schon so manche Lorbeere verdienen konnte.

Zum Sommer gehörte viel Dröhnen, nachdem Sunn O))) mit ihrem Doppelalbum Life Metal auf meiner Hörfläche erschienen waren. Nicht jedermannsfrausdivers Ding – mir gefällts!! Außerdem fiel mir ein orange-farbenes Vinyl einer über zwanzig Jahre alten Platte in die Hände: Dopesmoker heißt das Werk, Sleep die Bänd. Großartig verlangsamter, immens trockener Stoner-Rock at its Purest!! Ziemlich geil, das Album, grade an faulen, heißen Sommertagen!! Tja, und wurde im August doch tatsächlich die langerwartete Veröffentlichung des fünften Albums von Tool wahr: Fear Inoculum. Allerdings warte ich immer noch auf ein Vinyl-Format des musikalisch sehr formidablen Werks; auch jetzt noch, nachdem mittlerweile eine zweite Auflage in Buchform für 'nur' fünfzig Euro auf dem Markt ist. Irgendwie hab ich keine Lust – trotz aller musikalischen Vorzüge – die Verkaufsperformänces der sonst so totalverweigernden Art-Rocker mitzuspielen. Dennoch: Alleine "Pneuma" ist ein unglaublich geiler Song. Leider haben sie in Zürich nur zwei der neuen Stücke gespielt...
Spät, nämlich im Spätsommer, erreichte mich die bereits im Frühjahr erschienene Doppel-LP Arrival des schwedischen Fire! Orchestra um den Saxophonisten Mats Gustafsson. Der hier zu hörende, recht experimentelle Psych-Jäzz mit hörbar soulverwandtem Gesang, gehört recht wahrscheinlich schon jetzt zu den Klassikern in meinem Kosmos!! Nicht weniger als überwältigend war denn auch die Live-Performance dieses Opus Magnum im September im von manchen Menschen 'Little Freiburg' genannten Villingen. Selten hatte ich ein klanglich so großartiges Hörerlebnis!! Na gut, das mag auch daran liegen, dass ich Veranstaltungen solcher Art – es fand im dortigen Theater im Rahmen der Jäzztage statt – eher selten zu besuchen pflege. Nixdestotrotz bin ich mir sicher, dass dies eines der Konzerte war, von welchem ich bestimmt noch in vielen Jahren gerne schwärmen werde.

Ansonsten erfreue ich mich seit Herbst an der Black Moon Circle-5-CD-Box, wo sämtliche Session-Aufnahmen der Stoner-Psych-Jäm-Rocker versammelt sind. Außerdem kamen der hörenswerte Zweitling von NAP namens Ausgeklingt sowie eine Platte, für die ich wieder länger brauchte: Sugarfoot. Die kamen mir ungewohnt poppig vor, obwohl sie sofort erkennbar waren. Da hab ich so manchen Durchlauf gebraucht, die Qualität auf In the Clearing zu hören. Ganz geschafft hab ich das bei einer Wiederveröffentlichung der Melvins noch nicht. Aber es drängt mich ja niemand, mir Zeit zu lassen für The Maggot und Bootlicker. Schnell gefallen konnte mir wiederum der herbstliche Konzertgoodie The Light Fantastic, auf welchem Motorpsycho viele rare und zwei bislang gänzlich unveröffentlichte Songs samt dickem Booklet versammeln.

Irgendwie wurde es im Herbst ruhiger mit Neuzugängen. Ende Oktober kam Mark Lanegan mit Bänd und dem Album Somebodys Knocking – und klang mir zunächst ungewohnt gut gelaunt. Ich will aber keine gut aufgelegt klingende Musik hören, wenn ich Lanegan auflege!! Dennoch war dies der erste Eindruck beim ersten Hören. Bald schaffte es jedoch allein die Stimme, entsprechend düstere Stimmung über die Songs, die nicht selten Ohrwurmcharakter haben, zu legen, so dass sich meine Erwartung nach ein paar Duchläufen erfüllt zeigen konnte. Der Mittfünfziger, der nach seinem ebenfalls sehr geilen Konzert in Schorndorf mit seiner Basecäp beim Signieren fast schuljungenhaft wirkte, ist somit nach wie vor für ein Highlight gut – live wie auf Platte. Zuletzt erwarb ich, kurz vor Weihnachten, noch Inferno, das aktuelle Album von Robert Forster, der noch lebenden Hälfte der Go-Betweens, das dieser leider nicht signierbereit mit im Jazzhaus hatte. Die live auf Gitarre, Gesang und Violine reduzierten Songs sind auf dem Album durchweg mit Bänd eingespielt; eine schöne Ergänzung zum skeletthaften Live-Gewand der sinnierenden und Geschichten erzählenden Songs des gebürtigen Australiers. Auch dieses Konzert war sicherlich eines der gut im Gedächtnis bleibenden meines Konzertjahres 2019, das ansonsten gleichermaßen Licht- wie Schatten für mich bereit hielt.

Da waren zunächst die beiden Konzerte im März, auf die ich mich lange gefreut hatte: Pothead und Spidergawd verpasste ich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in Karlsruhe im Substage bzw. der Stadtmitte, weil ausgerechnet da eine Erkältung mich kurzfristig darniedergestreckt hatte. Glücklicherweise konnte ich zumindest für die Skandinavier eine Gastreview ergattern. Damit war allerdings meine Serie im Eimer, die Bänd auf bislang jeder Tour besucht zu haben. Oder das ebenfalls wegen Krankheitsausfällen (auf anderer Seite) für mich ausgefallene Konzert von Sunn O))) Anfang Oktober in Basel und wenige Tage zuvor die Verirrung im Datum bei einem Konzert im lange nicht besuchten Swamp...

Anyway - dafür hatte ich auf der Lichtseite das unglaubliche Glück, Motorpsycho in 2019 gleich drei Mal (!!!) live zu besuchen!! Unvergesslich dürfte dabei insbesondere der dreistündige Auftritt in Reutlingen bleiben!! Oberhammersuperwahnsinnsgeil!! Und zwei überraschende Open-Air-Highlights brachte mir der Sommer mit: Da waren zum Einen der fast zufällige Besuchs des Finki im Odenwald mit dem Auftritt von Guru Guru; einer Bänd, die schon länger musiziert, als ich auf Erden wandle. Außerdem die schön brachialen Prong in Mannheim, fast ebenso spontan in die Biografie gefallen wie das Hippie-Häppening im Odenwald. Beides sehr geil!! Im Herbst gefielen dann Die Goldenen Zitronen bei ihrer Clubtour im Freiburger Cafe Atlantik ziemlich gut, ebenso wie im Oktober Motorpsycho in Frankfurt und im November die Mark Lanegan Band in Schorndorf große Klasse waren. Und eben ein sehr würdiger Abschluss meines Konzertbesuchsjahres bei Robert Forster.


Und nun zur Kür, meine sehr geehrten Leserinnen und Leser (das wollt Ihr doch...):

Am Eindrücklichsten sind mir, da muss ich nicht lange nachdenken – nebst Motorpsycho – die Auftritte von Black Lung und des Fire! Orchestra im Gedächtnis, die ich hiermit zu den Konzerten des Jahres küren möchte!! Dasselbe gilt für deren Alben Ancients bzw. Arrival!! Beide absolute Extraklasse!! Congratulations!!

 Und auch an Ohrwürmern war dieses Musikjahr gut ausstaffiert:

Nach wie vor – und insbesondere an den Tagen nach einem der erfrischenden Gigs von 1st class – geistern mir nur zu gerne die "Revelations of Destruction" durchs Gehör!! Einfach ein großartiges Stück, das die Teenager in die Welt entließen!! Des Weiteren tat sich "All and Everything", der Opener des fünften Spidergawd-Albums, als wiederkehrende Dauerhörschleife im Ohr hervor. Auch das Riff von Tool's "Pneuma" ist eins von denen, das sich, wie der messerscharfe Sound der Gitarre, immer gerne ins Gehör schneidet und dort feststecken bleibt. Und natürlich ist der motorpsyche-delisch hymnische Refrain von "Lux Aeterna" einer der ganz gänsehäutigen Ohrbesetzer des Jahres!! Ganz große Klasse!! Der mutmaßliche Dauerbrenner dieses Jahres war jedoch der Song "Ancients" von Black Lung – und die haben ja nun hier völlig zurecht so manch unsichtbaren Titel abgeräumt!!

Damit wäre nun fast das Ende der Reise durchs musikalische Zweitausendneunzehn erreicht. Bei mir selber ist diesbezüglich nichts Nennenswertes passiert – womit fast schon der erste Vorsatz für 2020 feststünde. Allerdings gilt es an dieser Stelle noch einmal, zweier in meinem Kosmos nicht unrelevanter Künstler zu gedenken: Mark Hollis, bekannt geworden in den 80igern mit Talk Talk, deren Spät-Album Laughing Stock ich mir dieses Jahr endlich zugelegt habe, wie auch das einzige, über zwanzig Jahre alte, selbstbetitelte Solowerk des zuletzt sehr zurückgezogen lebenden Briten. Im Februar verstarb er 64jährig. Und natürlich wird auch Daniel Johnston in meinem Kosmos weiterleben, wenn auch nicht mehr auf dieser Erde wandelnd, auf welcher ihm 58 Jahre vergönnt waren. Rest in Peace, Guys!! Eure Musik hält Euch still alive!!

Ansonsten freue ich mich auf ein bereicherndes neues Jahr – und hab auch schon den ersten dicken Tipp in Arbeit. Aber den verrate ich hier noch nicht!! Besser also, Ihr schaut bald mal wieder vorbei!!

 
Abschließend grüße ich natürlich herzlichst Euch, all meine treuen Leserinnen und Leser und bedanke mich bei Martin für (viel zu wenige) Gasttexte (aber immerhin den von Spidergawd...).

Schließlich möchte ich noch lärmige Grüße nach Berlin ins Noiso-Cämp schicken, von wo aus mein Horizont immer wieder ergänzt und erweitert wird sowie ein kräftiges Cheerz an meine Dealer und unermüdliche Tippgeber im Flight13 (euer Newsletter ist die einzige quasi-Musikzeitschrift, die ich derzeit regelmäßig lese...)

 
Thänx a Load + Stay Tuned!!
Yours sincerely Pändy

 

25.12.19
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