Der Ackermann und der Tod   25.10.20 Sankt Oswaldkapelle, Breitnau

 

Eine recht außergewöhnliche Veranstaltung durfte ich am Sonntag der herbstlichen Zeitkorrektur erleben: In einer kleinen, sehr alten und stromlosen Kapelle am Eingang der Ravennaschlucht im Schwarzwälder Höllental wurde Der Ackermann und der Tod aufgeführt. Das dialogische Stück, dessen Textvorlage um 1400 entstanden ist und zu jener Zeit zunächst handschriftlich vervielfältigt wurde, handelt davon, dass der Ackermann, also ein Landwirt, seine Frau bei der Geburt eines Kindes verloren hat und daraufhin arg mit seinem Schicksal hadert. Für die Inszenierung eines solchen Textes eignete sich die im 7. Jahrhundert erbaute Kapelle hervorragend...

Nachdem die unter strengen Bedingungen und mit dicken Decken versehenen Plätze eingenommen waren – etwa fünfzig von gut zweihundert Sitzplätzen waren belegt –, begann die Aufführung mittels Gesang. Eine Stimme begann solo, drei weitere gesellten sich hinzu, derweil noch niemand zu sehen war. Nach kurzer Zeit traten die vier zu den Stimmen gehörigen Damen in bis aufs Gesicht vollständig verhüllten Gewändern aus dem Altarraum hervor, um sich auf dem Boden vor den vordersten Bänken niederzulassen. Durch den Mittelgang kam gleich darauf festen Schrittes der Ackermann nach vorne und schilderte zunächst seine Situation, läutete dann vehement und wütend die drei Glocken der Kapelle, ehe der Tod – als Person in grauem Gewand und mit gräulichem Gesicht sowie unsäglich langem Rapunzel-Haarzopf – auf dieses Anrufen hin den Raum betrat.

Nun entspann sich der Dialog zwischen den beiden. Hin und wieder wurde das Zwiegespräch, bei welchem der Ackermann hadernd anklagte und der Tod, stets erhaben bis herablassend die Vorwürfe parierend, sich selbst, seine Macht sowie seine Unabdingbarkeit betonte – von Zeit zu Zeit lediglich durch kleinere gesangliche Einlagen oder Echos der vier Sängerinnen unterbrochen. Häufig setzten sich die Spielenden hierbei mittels selbstgehaltener Lampen in Szene und nutzten auch die Schatten an den weißen Wänden. Das Stück erschien mir unter den räumlichen Gegebenheiten und technisch äußerst marginalen Bedingungen sehr ansprechend und passend umgesetzt. Inhaltlich stand natürlich die Auseinandersetzung mit der Sterblichkeit des Menschen im Fokus, bei welcher der Tod nicht zuletzt auch als ein Handlanger Gottes angeklagt wird und der Text sicherlich auch als Religionskritik interpretiert werden kann, was jedoch allen Rezipierenden selbst überlassen bleibt. Letztlich hatte sich der Ackermann nach einer guten dreiviertel Stunde in sein Schicksal zu fügen – was sonst hätte er denn auch tun können?!

In jedem Fall hatte ich große Freude an der eindrücklich und spannend inszenierten Aufführung, die meines Erachtens auch ziemlich gut in die momentane Zeit und diverse aktuelle gesellschaftliche Diskussionen passt. Weitaus wichtiger für mich selbst war jedoch, dass ein bei mir durchaus vorhandener Kulturhunger an diesem Abend schlicht ein wenig gestillt werden konnte...

26.10.20

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