Mudhoney                               12.05.2015 - Berlin, Berghain

 

Das schonungslose Protokoll eines Kneipengespräches
(mit 10 Anmerkungen im Fußnotenteil!)


Alter der Protagonisten: Jenseits der 40
Zeit: 13.05.2015; 2:00 Uhr
Ort: Friedrichshain

 

Kneipenhocker (im Folgenden K1 genannt): Ey Alter, wo kommsten du jetze her?
Konzertgänger (im Folgenden K2 genannt): Mudhoney, Alter! Supersach das!! (1)
K1: Krass!! 'Touch me I'm sick' un so.... (2)
K2: Jenau!! Und die sind immer noch so... (3)
K1: Wat? Immer noch so … BÄÄMM!!!
K2: Aber hallo!! HAMMA! Punkrock und Rock'n Roll!! – 'Grunge' ?? Ick glaub, Neunzehn88 war ich halt einfach noch zu jung (4), aber damals.. kurz vor dem Brand... (5)
K1: Komisch, hab jedacht die jibt es gar nich mehr.
K2: Als wärn die nie weg gewesen, sach ich dir. (6)
K1: Abgefahren!! Aber, genau jetzt fällt's mir ein, die ham doch da im … äh, im Ding gespielt, oder? Wie war das denn da so?? (7)
K2: War ich vorher auch noch nie. Normalerweise ist das da ja wohl auch anders, mit den Touris und so.. (8)
K1: Ach ja.... (sinnierender Seufzer)..Mudhoney!
K2: Komm, lass uns was trinken! (9)
K1: Auf die wenigen Konstanten des Lebens, Alter!!!!! (10)
K2: Ick geb dir einen aus!!

 

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(1)

Okay , dann gleich mal die Konzertkritik in Kurzfassung: Der Club gut gefüllt, aber nicht ausverkauft, ein nicht mehr ganz so junges Publikum und ein Merchandise-Mensch, der über beide Ohren grinste – das Geschäft lief wohl gut. Nach zwei Vorbands, dem Singer/Songwriter Barton Caroll, dessen eigentlich sehr tolle Bluegrass-One-Man-Show nicht so richtig zu dem Ambiente passen wollte, und einer Band namens White Hill, die sich düster und ziemlich langweilig präsentierte, schlurften die vier Veteranen zu später Stunde völlig entspannt auf die Bühne. Wer große Überraschungen erwartet hatte wurde sowieso und erwartungsgemäß enttäuscht. Mark Arm bretterte zusammen mit seinem alten Kollegen Steve Turner die ersten Songs auf der Gitarre runter, irgendwann nach dem bösen Krach-Monster 'Sweet Young Thing ain't Sweet Anymore' beschränkte er sich dann aber nur noch auf seinen einzigartigen Reibeisen-Anti-Gesang. Dabei gab er dem Publikum den kompletten Iggy Pop – in ständiger Aktion, sich windend und die Pogo-Fraktion vor der Bühne anfeuernd. 'Hate the Police' von einer Band namens The Dicks (nie gehört, aber sehr naheliegender Name für eine Punk-Band) grölte der Club geschlossen mit – der Refrain war auch nicht soo schwer. Am Ende sogar Stagediver bei 'In 'N' out of Grace', der vorletzten Zugabe. Was erwartet man mehr von einem Rock'n'Roll–Konzert? Die genaue Setlist ging übrigens irgendwo in diesem wundervollen Lärm-Haufen unter, tut mir leid...


(2)

'Touch me I'm sick' – lange vor dem Teen-Spirit-Geruch die eigentliche Hymne der Seattle-Bewegung – , dieses wunderbar hingerotzte Stück Punk mit seinem simplen Sägen-Gitarren-Riff , Verzerrung und Amps immer auf Anschlag, war DIE Blaupause für den SubPop-Sound der beginnenden 90er Jahre. Mudhoney schwimmen bis heute munter in dieser Ursuppe des Grunge herum (und dabei waren sie die Ersten - noch bevor dieses Etikett überhaupt erfunden wurde!) Das Konzert im Berghain führte mal wieder eindrucksvoll vor Augen, warum ihnen im Gegensatz zu ihren damaligen Label-Kollegen der große Durchbruch nie glückte. Das große Pathos und die Melodien von Pearl Jam, das Charisma eines Kurt Cobain, der psychedelische Metal - Einfluss bei Bands wie Alice in Chains oder Soundgarden oder auch das schräg-experimentelle der Melvins (streng genommen natürlich keine SubPop – Band, aber in derem Dunstkreis beheimatet), all das geht Mark Arm, Steve Turner, Dan Peters und 'Neuling' Guy Maddison vollkommen ab. Roh, laut, unmelodiös sind eher die charakterisierenden Schlagworte für Songs wie 'Flat out Fucked', 'Here comes Sickness' oder auch den langsamen Groove von 'Broken Hands' – ein frühes Highlight im Programm, das Frontmann Arm zu Beginn noch an der Gitarre bestritt.

 

(3)

Ja, die sind immer noch so... BÄÄMM!!!

 
(4)

Tatsächlich, bereits am 10.Oktober 1988, knapp ein Jahr vor Erscheinen ihrer ersten, mittlerweile legendären EP 'Superfuzz Bigmuff', spielten Mudhoney anlässlich der Berliner Independent Days im Schöneberger Ecstasy – einem Club, der auch schon seit langem Geschichte ist. Wohl ein ziemlich kurioses Erlebnis, wie Mr. Arm sich im Berghain erinnerte. Eigentlich der pure Slapstick, dass diese noch kaum bekannte Lärmtruppe nach lediglich einer Handvoll Gigs in Seattle und Portland kurzerhand für ein einziges Kurzkonzert in den Flieger nach Deutschland gesetzt wurde. Gerade mal neun Songs im Gepäck!! Warum und wie das zustande kam wussten sie wohl damals schon nicht so richtig. Und am nächsten Morgen ging es schon wieder zurück in die U.S of A.

 

(5)

Das letzte Mal in Berlin konnte man die Band Ende Mai 2013 im Kreuzberger Festsaal erleben. Für den Chronisten ein denkwürdiger Termin. Nicht nur wegen eines ziemlich großartigen Konzertes der Marke Dampfwalze, sondern auch weil es sein letzter Besuch in dieser tollen Live- Location werden sollte. Zwei Monate später zerstörte ein verherrendes Feuer den Veranstaltungsort mit all seinen exzellenten Sound-Merkmalen und der hübschen Holzempore vollständig. Mittlerweile – Stand 2015 - ist klar, dass der Festsaal zumindest an diesem Ort und in annähernd vergleichbarem Gewand wohl nie wieder auferstehen wird. Ein richtiger großer Verlust für die Berliner Musiklandschaft. Traurig, traurig!


(6)

Es gibt sie wieder, immerhin jetzt auch schon seit 2006. Und sporadisch erscheint auch alle paar Jahre mal wieder eine neue Platte, zuletzt 'Vantage Point' vor zwei Jahren. Aber auch das sehr gut gefüllte Berghain kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Band für die Familienväter nicht wirklich zum Broterwerb taugt. Arm, Turner und Co haben feste Jobs, Mudhoney ist eine Hobbyveranstaltung, wenn auch wohl eine ziemlich zeitintensive – ungefähr ein Drittel des Jahres befindet sich das Quartett auch heute noch auf Bühnen, in Bussen und Hotelzimmern dieser Welt.

 

(7)

Is okay, er kann einem schon mal entfallen, der Name des wohl berühmtesten Techno-Clubs Europas. Alter und Alkoholpegel der Protagonisten kann man diesem Fall als ausreichende Entschuldigungsgründe gelten lassen. Dafür dürften die meisten der normalerweise dort aufschlagenden Besucher den Namen Mudhoney wohl auch noch nie gehört haben. Es war mein erster Besuch im Berghain, jenem Wahrzeichen Berlins, das neben Brandenburger Tor und Fernsehturm eigentlich jedem einigermaßen jungen Hauptstadt-Touristen ein Begriff sein dürfte. Und es ist auch ein durchaus beeindruckender Ort in seiner Mischung aus baufälligem Industriehallen-Charme und Kathedrale, wie geschaffen für exzessive Partynächte. Überraschend war es dann doch, dass ausgerechnet dort diese 50plus-Truppe mit vollkommen anders geartetem musikalischen Background eines ihrer selten Gastspiele in Deutschland gab. Ob die gute Yvonne Ducksworth von der Kreuzberger Kultband Jingo de Lunch, die links neben mir ihre Rastas schüttelte, denn vorher schon mal hier war?


(8)

Sowieso eher fraglich, ob ich normalerweise an diesen muskelbepackten Türstehern, die teilweise in der Szene ja auch schon kleine Stars sind, vorbeikommen würde. Mir fehlt da wahrscheinlich ein gutes Stück zum Hipstertum der 10er Jahre. Insofern war das eine Gelegenheit, deren Schopf man dann halt packt. Letztendlich aber doch nicht der medial vermittelte Tempel der Ekstase, sondern, zumindest an diesem Abend, eine Veranstaltungslokalität wie jede andere auch – wenn auch eine sehr angenehme.

 

(9)

So enden diese Gespräche irgendwie immer....

 

(10)

Naja, wie in Friedrichshain scheinen auch in Seattle die Haare mit den Jahren nicht nur kürzer, sondern auch oft grauer zu werden. Aber sonst hat sich bei Mudhoney offensichtlich in den letzten 3 Dekaden Null Komma Null geändert. Verlässliche Trendresistenz, erfrischende Weiterentwicklungsverweigerung und nix mit Soundexperimenten oder irgendwelchen musikalischen Reifungsprozessen. Die treue Fangemeinde bekommt immer nur genau das geboten was sie erwartet– schnörkellos und direkt. In einem aktuelleren Interview brachte Mark Arm es auf den Punkt: '"Wir sind Mudhoney, wir brauchen nicht viel. So lange uns keiner die Erinnerungen an unsere Wurzeln nimmt, werden die Dinge ihren Lauf nehmen." Well done, dudes!

 

Martin 31.05.15

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