Nik Bärtsch’s RONIN                            15.11.2018 Freiburg, Jazzhaus

 

Premiere - mit Mitte 40 komme ich zum ersten Jazzkonzert meines Lebens. Unterstützung hatte ich durch einen guten Freund, seines Zeichens brillanter Musiker und Jazzer. Ich war also perfekt begleitet. Das Ambiente im Jazzhaus, wo ich bislang eher populäre Sachen wie New Model Army, Mother Tongue oder auch Die Goldenen Zitronen gesehen hatte, war ungewohnt: komplett bebierbankt, Platz bietend für vielleicht 250 Leute. Spät ankommend fanden wir nur noch hinten auf der kleinen Empore neben dem Mischpult Platz, mit ausgezeichneter Sicht und Sound.

Kurz nach 20 Uhr ging es auch schon los: Nick Bärtsch (Flügel), Sha (Bass-Klarinette, Alt-Saxophon), Björn Meyer (Bass, 6-saitig !!!) und Kaspar Rast (Drums) kamen auf die Bühne.
Das Ensemble baute seine Welt langsam auf, fing ruhig an und wurde immer komplexer, ohne den Groove aus den Augen zu verlieren. Musik zum Zuhören und darauf Einlassen. Je tiefer man eintauchte, desto unwillkürlicher bewegte man sich mit und ich empfand die Bänke sehr schnell als störend. Ich glaube, dass sich viele der anwesenden Gäste gerne körperlicher auf die Musik eingelassen hätten.

Nach dem ersten Stück (ich glaube "Modul 58") von der aktuellen Scheibe 'Awase' folgte die Begrüßung der Gäste und Vorstellung des Ensembles. Die nachfolgenden Stücke wurden angekündigt und Nik Bärtsch meinte, er wolle mal sehen, wo der Abend uns hinführt.
Der unbestrittene Maestro von RONIN kehrte zurück an die Tasten und weiter ging es. Und es wurde wieder mitreissend groovig. Die Art Jazz, die RONIN zelebriert, ist auch hochgradig percussiv und sowohl mein Begleiter als auch ich wunderten uns immer wieder, woher jetzt die einzelnen Geräusche kamen… Für mich faszinierend war, dass Sha sein Saxophon manchmal wie ein Didgeridoo erklingen ließ, was sich in Kombination mit Rasts außergewöhnlichem Schlagzeugspiel unglaublich gut ergänzte. Erst später bemerkte ich, wie Nik Bärtsch mit einem kleinen Stock in seinem Flügel die Saiten anschlug, oder gar den Flügel als Percussionsinstrument benutzte, während er mit der anderen Hand immer noch die Tasten bediente.

Wenn man aus der typischen 4/4-Szene kommt, erschließen sich neue Welten und man kommt erst mal an seine Grenzen: Beispiel gefällig ? Meyer beginnt mit einem 5/4-Takt, Bärtsch setzt daraufhin mit 4/4 ein und dann Rast …. Ich musste passen und konnte das Rhythmusgebäude nicht mehr entschlüsseln - und dennoch blieb alles faszinierend gut beieinander.
Die einzelnen Künstler traten unterschiedlich stark in den Vordergrund. Allen voran vielleicht Björn Meyer, der ein virtuoser Bassist vor dem Herrn ist und wenige Male, dafür umso beeindruckender, Solo-Ausflüge unternahm - oder sollte ich sagen bekam? Besonders beeindruckend war dabei sein hochgradig percussives Spiel, das mich an der einen oder anderen Stelle - alle Jazzfreunde halten sich jetzt bitte die Ohren zu - an Les Claypool von Primus erinnerten (was als großes Kompliment gemeint ist).
Björn Meyer half an diesem Abend aus. Er ist der ehemalige Bassist und atmosphärisch schien es zwischen ihm und dem Maestro wohl nicht mehr ganz zu stimmen, was dem gemeinsamen Spiel freilich keinen Abbruch tat.
Populärmusikalische Anflüge konnte ich auch im Spiel von Kaspar Rast erkennen, als er wiederholt fills einbaute, die jedem Heavy Metal Schlagzeuger zur Ehre gereichen würden - und das in Passagen, wo man sie niemals für möglich gehalten hätte und erst danach erkennt, wie genial das war.

Erstaunlich, dass der Chef der Combo der am wenigsten auffällige Künstler auf der Bühne war. Nik Bärtsch hielt sich stets im Hintergrund, aber man merkte deutlich, wie er die Fäden in der Hand hielt, wenn es um die Gewährung von Soli und deren Beendigung ging, was durch Blickkontakt geklärt wurde.
Das erste Set war überraschend schnell, nach einer guten Stunde, vorbei. RONIN kam aber aufgrund der Begeisterungsstürme des Publikums noch zweimal auf die Bühne, bevor dann kurz vor 22 Uhr nach knapp 2 Stunden wirklich Schluss war.

Mein Fazit:
Unglaublich anderes Konzert. Einsteigerjazz für Menschen, die gerne groovige Musik hören und Miles Davis eher abschreckend finden. Schaut mal auf YouTube rein. Ich habe inzwischen immerhin 4 Platten von Nik Bärtsch - und es werden weitere folgen.

Micha 8.12.18

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