www.pandys-corner.de GUSH 28.11.25


GUSH & Illumina  28.11.25 Villingen, MPS-Studios

 

„Gush, Gush, Gush!“ – so sagte Mats Gustafsson nach Betreten des Bühnenbereichs die Bänd an, die sich in dieser Konstellation, so war im Lauf der Ansage vor der Kulisse des noch unbemannten Instrumentenszenarios zu erfahren, am 7. Mai 1988 erstmals begegnete. Wann genau sie dann nach dieser folgenschweren Koinzidenz anfingen, sich gemeinsam auf „die Suche nach der Melodie“ zu begeben, wie der Künstler unmittelbar vor dem musikalischen Auftakt erwähnte, blieb dabei unklar. Klar ist, dass Sten Sandell am Klavier, Raymond Strid am Schlagzeug und Gustafsson unter dem Namen GUSH – was übersetzt Strom, Schwall oder Erguss heißt – bislang mindestens acht Alben zusammen eingespielt haben…

Doch halt – zuvor gab es als Einstieg in den Abend Illumina. Hinter Illumina stehen die Bassistin Mina Lichtenberg, Leandro Hernández Waber am Klavier und Jonas Drobczynski am Schlagzeug, die zum halbstündigen Warm-Up etwa eine Handvoll Eigen-Kompositionen präsentierten, die sich, nach meinem Urteilsvermögen, im Bereich zeitgemäßer Interpretation des Jäzz bewegten, gemischt mit Anklängen klassischen Klavierspiels. Das war ein durchaus gelungener Auftakt für die Ohren, ein Warmstreicheln des Gehörs mittels recht straight gespieltem und angenehm unaufgeregt fließendem Jäzz.

Nach angemessener Umbaupause und oben erwähnter Begrüßung und Ansage war es an den Tasten, das irre Feuerwerk zu eröffnen, mit welchem das Trio in den folgenden etwa fünfzig Minuten eine akustische Achterbahnfahrt durch den Raum schwappen ließ. Genauer waren es die tiefsten Tasten des altehrwürdigen Bösendorferflügels, der im Studio seine ganz eigene Geschichte erzählen kann, die die Suche nach Melodien einläuteten, die sich, wie Lungen- und Atemakrobat Gustafsson ebenfalls einleitend beschrieb, „von Dingen zu Klängen, von Klängen zu Dingen“ bewegte. Oder, wie der Pianist ergänzte – und so heißt auch ein frühes Album der drei: ‚From Things to Sounds‘. Das unmittelbar an diese Worte anschließende Vorspiel aus den Fingern Sandell‘s war schön ausgedehnt gestaltet. Die ganze Tiefe der Bassklaviatur schallte tendenziell dröhnend durch das nach dem Begrüßungsapplaus still gewordene und gespannt harrende Publikum. Der Pianist zog gleich zu Beginn so einige Register unkonventionellen Spiels, Saitendämpfung im Innern des Flügels inklusive, bis der Drummer hinzukam und zuletzt das Saxofon in die akustischen Exkursionen einstieg.

Die drei erschufen Klangräume und -welten, wie ich sie bis dato in der Tat noch nicht erlebt hatte. Manchmal klang es, als spielte jeder grade ein Solo-Stück, wobei jedes der drei vermeintlichen Solostücke gleichzeitig passend in die beiden anderen Stücke griff, taktgenau wie die Rädchen eines Uhrwerks, so dass ein großer, meist ruhelos wabernder Strom entstand. Ein Strom aus Klangwirbeln und -strudeln, die schäumende Wellen von Improvisationen durch den Saal schoben, sich immer wieder zu einzelnen Solo-Parts der einzelnen Musiker und Duetten in wechselnden Konstellationen auflösend. Dabei war die Intensivität der Klänge auf konstant fesselndem Niveau, so dass mir auch bei dieser faszinierenden Darbietung, wie bei den beiden Fire!-Konzerten, die Zeit viel zu schnell davonflog…

Im Fokus meiner visuellen Beobachtung stand meistens der Drummer, der sich vorwiegend perkussiv an seinem Schlagwerk verdingte, das erstmal wie ein ganz normales, in der Ausstattung eher spärlich bestücktes kleines Schlagzeug aussah, an welchem unter den Trommeln lediglich noch ein kleiner Gong hing. Jedoch – ich gestatte mir die Übertragung einer alten Jagger’schen Weisheit: It’s the Player, not the Instrument!!

Ja, schließlich war in der Ankündigung der Veranstaltenden zu lesen, dass sich hinter dem Namen GUSH „drei der führenden Künstler der schwedischen Improvisationsszene“* versammeln. Wer möchte da auch nur einen Ansatz von Konvention erwarten??

Raymond Strid an den Drums benutzte oft einen Bogen, der den meisten Anwesenden im nicht ganz ausverkauften Raum vielmehr durch das Kontrabassspiel geläufig sein dürfte. Mit diesem strich er auf, über und um die verschiedenen Komponenten des Schlagzeugs, auf Becken, Trommeln, Snare – eigentlich auf allem, was dazugehört. Da kamen durchaus manch Töne aus den Dingen, die sonst so nicht zu hören sind. Und das geballt. Gustafsson hatte mal wieder verschiedene Arten von Gebläse im Einsatz. Allein das fette Bariton-Saxofon fehlte, mit welchem er mich bei Fire! ständig weit wegzupusten pflegt. Wenn ich es richtig identifizieren konnte, spielte er an diesem Abend Alt-, Sopran- und Tenorsaxofon. Und eine Querflöte. Und das eben alles auf seine ureigene Weise, mitsamt Stimm-, Atem- und Körpereinsatz. Indes rannten Sandell‘s Finger über die Tastatur, als würden sie gejagt, ehe sie dann wieder auf einzelnen Tönen ruhten oder Saiten dämpften. Während Bläser und Tasten duettierten, lehnte sich Strid, der durchweg auf einem gewöhnlichen Holzstuhl saß, stets bequem zurück und schien sich selbst tief in die Klangsphären seiner Kollegen sinken zu lassen, ehe er wieder aktiv mitzumischen begann.

Tja, was soll ich sagen?? Es war fabelhaft!! Neuerlich war eine Trioformation mit Mats Gustafsson, der sich mit den Worten „Gush, Gush, Gush!“ genauso verabschiedete, wie er das Publikum begrüßt hatte, ein Live-Erlebnis der besonderen Art. In der Tat ein Konzert, das sich sehr weit von allem abhebt, was ich bisher so live gesehen und gehört habe!! Sehr geil!! Das wird sicherlich nach sich ziehen, dass ich mich noch eine ganze Weile mit dem Werk dieses im besten Sinne Musikwahnsinnigen befassen werde. Und das, obwohl der nicht mal Gitarre spielt…

1.12.25

Das erste Stück des in den MPS-Studios präsentierten Sets begann ungefähr so, wie „Behind The Chords V“ auf dem 1998er GUSH-Album ‚Afro Blue‘ – HIER zu hören.

Und natürlich am besten mal selbst diesen speziellen Ort aufsuchen – DA

*Zur Quelle dazu nach DORT

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