Tocotronic                                   9.03.10 Freiburg, E-Werk

 

Eigentlich ist ein blödes Wort, finde ich. Wenn man von irgendwas behauptet "eigentlich war´s gut", dann steckt da üblicherweise eine Einschränkung drin, die meist besagt, dass es - was auch immer dies nun war - im Grunde nicht wirklich gut war. Paradox, eigentlich. Rein sprachtechnisch beleuchtet, bedeutet eigentlich dasselbe wie wirklich, faktisch, tatsächlich.

Im tatsächlichen Sprachgebrauch ist man jedoch mit Gebrauch dieses von mir sehr ungeliebten Wortes geneigt, eine für das Gegenüber meist unangenehme Wahrheit irgendwie abzuschwächen. Dies möchte ich hier jedoch mitnichten tun, daher wird dieses Wort im vorgezogenen Fazit erst gar nicht benutzt, denn es gibt einfach nichts schön zu reden oder zu mildern: der Auftritt von Tocotronic war - schlicht und ergreifend - langweilig. Etwas ärgerlich, dies, wenn man bedenkt, dass ich es im nunmehr dritten Anlauf geschafft habe, jene in Fachmagazinen so hoch gelobte Bänd mit einem Besuch zu beehren, die momentan auf einem Sticker, welcher auf ihrem aktuellen Album klebt, als eine "Bänd auf dem Höhepunkt ihres Schaffens" angepriesen wird. Doch nun der Reihe nach.


Als ich wenige Minuten nach 21 Uhr des E-Werks großen Saal betrat, ward soeben das zweite Stück gespielt. Offenbar wars ausverkauft, so 800 bis 1000 Besucher, schätzte ich mal in den Raum hinein. Und da mir der Sinn nicht nach ausgiebiger Drängelei nach vorne stand, gab ich mich mit einem Plätzchen nahe des Mischpults im ungefähr hinteren Viertel zufrieden, in der Hoffnung, wenn schon kaum Blick auf die Bühne zu haben, dann doch wenigstens mit optimalen Klangqualitäten versorgt zu sein. Fehlanzeige. Dumpfer Sound war während des ganzen Sets vorrangig zu hören, viel schwungloser Bass, das Schlagzeug eher so im Hintergrund, die Rhythmusgitarre stumpf wie ein abgesägter Baum. Gegen Ende kamen doch wenigstens die hohen Töne der Leadgitarre einigermaßen klar zum Vorschein, während der Gesang das Niveau der gefällten Gehölze beibehielt.

Überhaupt mutete die Stimme Herrn von Lowtzows weitaus belangloser an, als von der teils mächtigen Eindringlichkeit auf CD gewohnt - selbst seine eigenwillige Lyrik war nur sehr schwer verständlich. Zwischen den Stücken kamen immer mal wieder mehr oder weniger einfallslose Ansagen ("wir spielen jetzt ein Stück, das geht um..." so und so oder "ist ein altes Stück von..." dann und dann oder einfach nur "das nächste Stück" - gähn...). Ihrem in vielen Feuilletons gepriesenen intellektuellen Anspruch wurde die Bänd jedoch kaum gerecht. Es sei denn, es ging darum, auf einen Zwischenruf aus dem Publikum einen im letzten Jahr verstorbenen Pop-König postum zu dissen. Ein klein wenig versnobt wirkte das alles auf mich. Gabs keine Ansagen, wurde die Zeit zwischen den Songs einfach mit Gitarrenfeedbäcks überbrückt...

Während der etwa 75 Minuten regulären Sets lag der Schwerpunkt - soweit ich das ausmachen konnte - insbesondere auf dem neuen sowie letzten Album, gespickt mit wenigen älteren Sachen. Erkennen konnte ich "Die Folter endet nie", "Schall und Wahn", "Macht es nicht selbst", "Stürmt das Schloss", "Verschwör dich gegen dich" (ein eigentlich schöner Song, der vom Sänger allen, seiner Meinung nach zahlreich im Publikum anwesenden Dandys gewidmet war - okay...), "Let There Be Rock", das nichtsdestotrotz sehr schöne "Imitationen" und "Aber hier leben, nein danke", letzteres von ihrem m. E. besten Album "Pure Vernunft darf niemals siegen". Absoluter Tiefpunkt war ein - von wem auch immer gesungenes Stück (ich mutmaße mal, es war Arne Zank) - das dermaßen schlecht gesungen war, dass die Danksagung vor Beginn des Zugabenblocks "Danke, ihr beschämt uns" nachträglich allein ob dieser beinahe schon als Zumutung zu bezeichnenden Sanges-Darbietung nicht weniger als gerechtfertigt war. Sicherlich schwang diesen Worten jedoch irgend eine mir beim besten Willen nicht zugängliche Ironie oder ähnlich gearteter Humor mit.
Auffallend war auch, dass die Rhythmen beim Gros der Songs erschreckend gleich geartet waren.

Eine der wenigen positiven Ausnahmen für mich stellte "Mein Ruin" zu Beginn der Zugaben dar, das Abschlussstück dieser zirka viertel Stunde, "Sag alles ab" dümpelte dagegen von neuem eher im Dröhnsound umher. Wieder ließ das Quartett kurzzeitig die Bühne verwaisen, sich tatsächlich feiern zu lassen, bevor mir mit ihrem - laut Ansage ältesten Stück überhaupt - wenigstens noch ein einigermaßen versöhnlicher Abschluss bereitet werden konnte. Dies war der wohl einzige Song des Abends, der spannende Dynamik, Intensität, sowie interessante Steigerungsmomente in sich barg, und bei welchem gar der Sound annehmbar klang, bevor auch dieses Lied - nach über zehn endlich mal am Stück guten Minuten - in erneuten Feedbäcks endete, um dann ganz zum Schluss in ein Outro, bestehend aus einem deutschen Chanson vom Band zu münden.

Misslungene Selbst-Inszenierung konnte man den Hamburgern somit sicher nicht vorwerfen, ansonsten war das leider nix...



10.03.10

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